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Mein Hund verhält sich immer im Rahmen

Esther berichtet

Foto Stefan Buder
Foto Stefan Buder

Liebe Hundemenschen

Wer käme wohl auf die Idee, sich mit einer Chihuahua-Gruppe für das Iditarod in Alaska, das längste Hundeschlittenrennen der Welt, anzumelden...? Oder kennt ihr jemanden, der mit seiner deutschen Dogge Agility-Weltmeister werden möchte...? Wie passt wohl sein Hund durch den Agility-Tunnel?? 🤔

 

Die Anforderungen eines Menschen an seinen vierbeinigen Freund müssen mit dem Potenzial an Verhaltensmöglichkeiten des Hundes zusammen passen. Denn wie für jedes Lebewesen gibt es auch für unsere Hunde einen limitierenden Rahmen für Verhaltensmöglichkeiten, der durch Genetik, durch (Lern)Erfahrungen und Umwelt geprägt ist.

Alle Verhalten, die innerhalb dieses Rahmens liegen, kann der Hund zeigen. Was ausserhalb des Rahmens liegt, ist für ihn nicht leistbar (wie das Iditarod für den Chihuahua oder der Agility-Weltmeistertitel für die Dogge).

Der Verhaltensrahmen
Der Verhaltensrahmen

Mit dem Verhaltensrahmen wird Übereinstimmung bzw. Diskrepanz zwischen menschlichen Ansprüchen und hundlichem Verhalten bildhaft dargestellt. 

Dabei bildet der dunkel gefärbte orange Teil die Verhaltens-Ideallinie eines individuellen Hundes ab. In diesem Bereich liegen die Verhaltensweisen, die der Hund zeigt, würde man ihn einfach machen lassen und nicht intervenieren.

Im Zusammenleben zwischen Mensch und Hund spielen aber natürlich auch die menschlichen Vorstellungen und Wünsche wie auch gesellschaftliche Rahmenbedingungen, dargestellt durch die gepunktete blaue Linie, eine wichtige Rolle.

Bei Punkt 1 in unserem Verhaltensrahmen deckt sich der Anspruch des Menschen mit dem Verhalten des Hundes perfekt. Da braucht niemand nichts zu machen! Es stimmt einfach, es passt wie Deckel auf Topf!

 

Bei Punkt 2 muss der Hund sein Verhalten bereits modifizieren, er muss von seiner Ideallinie ein kleines Stück abweichen. Die Anpassungsleistung, die er zeigen muss, ist aber nicht sehr gross. Das von seiner Bezugsperson erwünschte Verhalten ist noch nahe an seiner Ideallinie.

 

Bei Punkt 3  muss der Hund in seinem Verhaltensrahmen komplett weg von seiner Ideallinie hin zu dem, was der Mensch gerne haben will. Er muss also eine sehr grosse Anpassungsleistung zeigen. Vielleicht wird in bestimmten Situation sogar ein komplett gegenteiliges Verhalten von ihm verlangt, als genetisch angelegt ist. Wenn zum Beispiel der Hund eine Wildspur in der Nase hat und sie verfolgen will - sein Mensch jedoch von ihm ein Sitzen und Warten an Ort verlangt. Oder wenn ein Hund, der für die Bewachung von Haus und Hof selektiert wurde, sich im Mehrfamilienhaus ruhig verhalten und weder Geräusche noch fremde Menschen, die seinem Zuhause zu nahe kommen, melden und verbellen soll.

Solche Anforderungen sind sehr weit von der Ideallinie des jeweiligen Hundes entfernt und verlangen ihm viel ab, er muss regelmässig sehr viel Anpassungsleistung vollbringen. Je mehr Verhaltensanpassung der Hund erbringen muss, desto mehr wird er gestresst und frustriert werden und desto herausfordernder wird sich das Zusammenleben mit seiner Bezugsperson gestalten!

 

Es gibt sie aber auch, die Mensch-Hund-Teams, die einfach perfekt zueinander passen. Das bedeutet - bezogen auf den Verhaltensrahmen - dass die blau gepunktete Linie (Mensch) und der orange schraffierter Verhaltensbereich (Hund) praktisch übereinander liegen, also quasi deckungsgleich sind.

Von solchen Hunden wird gesagt, sie seien «leichtführig». Sie machen nämlich von Natur aus freiwillig genau das, was der Mensch gerne hätte und möchte. Aus Sicht des Hundes wäre aber wohl eher der Mensch "leichführig", da er das Verhalten des Hundes weder stört, noch unterbricht und auch nicht dauernd interveniert! 😉

Foto E. Hufschmid
Foto E. Hufschmid

Fazit:

Über Punkt 1-Verhalten kann und soll ich mich einfach freuen im Zusammenleben mit meinem Fellkind. Diese Verhalten machen ja mir und dem Hund gleichermassen Spass.
Punkt 2-Verhalten belohne ich kontinuierlich variabel. Das bedeutet, dass das erwünschte Verhalten positives Feedback erhält, die hochwertigen Belohnungen jedoch zunehmend „ausgedünnt“ werden. Vielfältige Belohnung reicht von einem freundlichen Lächeln über das verbale Lob bis hin zu einer Highlight-Belohnung.

Heisst, dem Punkt 2-Verhalten folgen Belohnung mit unterschiedlicher Wertigkeit: Mal gibts was Supertolles, mal eine "na-ja-Belohnung".

Je schwieriger aber das erwünschte Verhalten für den Hund zu zeigen ist -> siehe Punkt-3-Verhalten, desto besser, intensiver und hochwertiger muss ich es belohnen - und zwar in der Regel ein Hundeleben lang!

 

Sich Überlegungen bezüglich meiner Ansprüche und Wünsche als Bezugsperson an den Hund zu machen und den gemeinsamen Alltag so zu gestalten, dass wir als Team nicht allzu oft an Punkt-3-Situationen gelangen, macht absolut Sinn und kann in das Zusammenleben mit dem vierbeinigen Freund viel Entspannung bringen.

 

Mit lieben Pfotengrüssen

Esther mit Nayeli 

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Kommentare: 1
  • #1

    Doris (Samstag, 20 März 2021 09:52)

    „Aus Sicht des Hundes wäre aber wohl eher der Mensch "leichführig", da er das Verhalten des Hundes weder stört, noch unterbricht und auch nicht dauernd interveniert!“ wunderbar! Bei diesem Artikel denke ich auch an die vielen Hunde und andere Tiere im therapeutischen Einsatz für Menschen, welche dann oft im Bereich 3 laufen.